- Ruhr-Universität Bochum
Der Rat für Sozial und Wirtschaftsdaten hat “Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der Generierung und Archivierung qualitativer Interviewdaten [Externes PDF]” (Liebig, Gebel, Grenzer, Kreusch, Schuster, Tscherwinka, Witzel; 2014) zusammengefasst und Vorschläge für den konkreten Umgang mit solchen Daten erarbeitet. Auch wenn sich der Artikel durchgängig nur auf das alte Bundesdatenschutzgesetz bezieht, das an nordrheinwestfälischen Universitäten keine Anwendung findet (hier gilt das DSG NRW [Externer Link]), sind die erarbeiteten Grundsätze durchaus auch hier anwendbar und werden im Folgenden vorgestellt.
Für Forscherinnen und Forscher, die Daten mit qualitativen Methoden erheben haben die Autorinnen und Autoren drei Problemfelder identifiziert, die den datenschutzfreundlichen Umgang mit den Daten betreffen.
- Eine Archivierung und Weitergabe oder gar Veröffentlichung der Daten für Dritte (z.B. Förderinstitutionen oder Forscherinnen und Forscher die Wiederholungsstudien durchführen) ist nur mit Einwilligung der Betroffenen oder einer Rechtsgrundlage möglich.
- Das Gesetz sieht eine Anonymisierung der Daten vor, wenn keine Einwilligung zur nicht-anonymisierten Speicherung vorliegt. (Im DSG NRW existieren sehr selten anwendbare Ausnahmeregelungen diesbezüglich)
- Forscherinnen und Forscher sind gesetzlich verpflichtet eine Löschfrist für die Daten einzuhalten.
Zu den Punkten enthält das Papier auch Lösungsvorschläge, die hier gekürzt wiedergegeben werden.
Einwilligungen
Eine Einwilligung nach datenschutzrechtlichen Vorgaben muss verschiedene Kriterien erfüllen. Die Betroffenen müssen freiwillig einwilligen und vorab über den Zweck der Datenerhebung und ihre Rechte aufgeklärt werden. Zudem muss die Einwilligung in der Regel in Schriftform vorliegen (ebd, S.7 f).
Grundsätzlich gilt: Einwilligungsdaten sowie Listen zur Depseudonymisierung oder Kontaktdaten müssen getrennt von den Interviewdaten aufbewahrt werden. Gemäß DSG NRW ist diese Trennung auch organisatorisch umzusetzen (Aufbewahrung in unterschiedliche Organisationseinheiten, Datentreuhänder). Ein Muster finden Sie im Bereich Formulare und Ausfüllhinweise.
Anonymisierung
Für die Anonymisierung qualitativer Forschungsdaten stehen bisher nur wenige erprobte Lösungen bereit. Grundsätzlich ist die Anonymisierung von Interviewdaten (der Transkriptionen) schwierig, da eine Anonymisierung in den meisten Fällen mit einem Verlust an Aussagekraft des Materials einhergeht.
Die Autorinnen und Autoren unterscheiden drei Arten von Anonymisierung die einen unterschiedlichen Grad an Sicherheit gewährleisten. Welche Form der Anonymisierung oder Pseudonymisierung gewählt wird hängt vom Forschungskontext ab.
Formale Anonymisierung: Entfernen von direkten Identifizierungsmerkmalen wie Namen oder Adressen (ggf.. Ersetzen durch Pseudonyme). Daten sind aus rechtlicher Sicht nicht anonym und es muss insbesondere sichergestellt werden, dass die Listen die zur Depseudonymisierung verwendet werden nur einem stark begrenzten Personenkreis zugänglich sind.
Faktische Anonymisierung: Dabei werden in den Interviewtranskripten nicht nur direkt personenbezogene Merkmale (wie Namen und Adresse) durch Pseudonyme ersetzt sondern auch personenbeziehbare Daten, also solche die eine mittelbare Identifizierung möglich machen (z.B. Orte oder Institutionen). Dieses Verfahren bietet sich insbesondere an, wenn die Daten in Datenzentren gelagert werden. Sollen die Daten wieder oder weiter verwendet werden, können die Pseudonyme, je nach Forschungsfrage, teilweise wieder durch die Originalinformation ersetzt werden.
Darüber hinaus wird empfohlen beim Durchgehen der Transkriptionen eine Abstraktion durchzuführen. Dabei werden konkrete Daten durch allgemeinere Kategorien ersetzt (14. Juni 1986 mit Sommer 1986 oder “Audi” durch “Automobilhersteller“).
Absolute Anonymisierung: Eine dauerhafte Entfernungen jeglichen direkten und indirekten Personenbezugs (durch Streichung oder Schwärzung) würde die Weitergabe der Daten von datenschutzrechtlichen Bedingungen befreien. Sie ist allerdings in der Praxis kaum möglich und verringert die Aussagekraft der Daten für weitere Auswertungen.
Bei Interviews mit Expertinnen oder Experten kann, nach Abstimmung mit diesen, von einer Anonymisierung abgesehen werden (z.B. bei der Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen). Allerdings sollte hier der „Data Life Cycle“ mit bedacht werden. Insbesondere bei besonderen Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 DS-GVO, § 16 DSG NRW (etwa über Gesundheitsdaten, ethnische Zugehörigkeiten, sexuellen Orientierungen oder religiösen Überzeugungen) müssen mögliche Folgen der Speicherung bedacht werden. Wenn z.B. Interviews mit Kriegsflüchtlingen geführt werden sollten mögliche spätere “politische Konjunkturen” berücksichtigt werden.
Weiteres
Der Artikel enthält auch Empfehlungen und Problembeschreibungen für den Umgang mit bereits erhobenen Daten (S.11) sowie allgemeine Empfehlungen wie die, keine vollständigen Interviews zu veröffentlichen.
Forscherinnen und Forscher die regelmäßig mit qualitativen Methoden arbeiten empfehlen wir den Artikel selbst zu lesen. Bei Rückfragen und detailliertem Klärungsbedarf können Sie zudem an einer Schulung teilnehmen oder sich direkt an uns wenden.